Water Safety: Interview mit Kinderarzt Dr. Lanzersdorfer zum Thema Kindersicherheit in Pool und Garten

Heute beschäftigen wir uns mit einem wichtigen Thema: die Sicherheit unserer Kinder im und am Wasser. Denn gerade im Sommer, wenn der Pool lockt und der Badespaß im Vordergrund steht, sollten wir uns bewusst machen, welche Gefahren von Wasser ausgehen können. Es freut uns sehr, dass wir Dr. Roland Lanzersdorfer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde, tätig an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde als leitender Oberarzt, für ein Interview gewinnen konnten. Im gemeinsamen Gespräch haben er und FREIRAUM-Geschäftsführer Richard Zauner potenzielle Risiken erörtert. Darüber hinaus gibt Dr. Lanzersdorfer wertvolle Tipps, um das Badeerlebnis für Kinder so sicher wie möglich zu gestalten. Es freut uns sehr, dass sich Herr Dr. Lanzersdorfer die Zeit genommen hat, um sein wertvolles Wissen und seine Erfahrungen mit uns zu teilen. Tauchen Sie nun ein in die Kernaussagen dieses Interviews und nehmen Sie wertvolle Ratschläge mit, die das Badevergnügen Ihrer Familie sicherer und sorgloser machen.

W-A-S-S-E-R

Lebenselixier und potenzielle Gefahr zugleich

Wasser: Es ist unser Lebenselixier und übt eine magische Anziehungskraft auf uns Menschen, egal, ob groß oder klein, aus. Und: Die einzelnen Buchstaben des Wortes eignen sich perfekt, um daraus ein Akrostichon zu bilden. Eine Eselsbrücke, um die einzelnen wichtigen Punkte zu verinnerlichen:

W: Warum Gefahren: Was ist Ertrinken?
A: Achtgeben: Was kann ich verhindern?
S: Situationen, welche zu Gefahren führen
S: Sicherheit: Kann ich an alles denken?
E: Entscheidende Maßnahmen: Kann ich unzureichend handeln?
R: Reanimation: Kann ich etwas falsch machen?

Die Covid-19-Pandemie hatte gravierende Auswirkungen auf die Schwimmsicherheit von Kindern. Während der Pandemie fielen geschätzte 6 Millionen Schwimmstunden aus, was die Möglichkeit zur Schwimmausbildung und Wassererziehung einschränkte.

Warum Gefahren: Was ist Ertrinken?

Babys und Kleinkinder ertrinken lautlos und so gut wie immer unbemerkt.

Ertrinken ist die zweithäufigste nicht natürliche Todesursache bei Kindern. Bei Säuglingen und Kleinkindern im Alter von 1 bis 3 Jahren steht das Ertrinken sogar auf dem traurigen Platz 1 der nicht natürlichen Todesursachen.

Doch was ist Ertrinken? Eigentlich handelt es sich beim Ertrinken um ein Ersticken. Das Tückische bei Kleinkindern: Diese ertrinken leise, meist sogar lautlos. Die Eltern, selbst wenn sie nur wenige Meter danebenstehen, bemerken es oft gar nicht. Wenn ein Kind ins Wasser fällt, geht es einfach unter. Da ist kein Platschen, kein lautes Schreien, kein Um-sich-Treten, wie wir es aus Filmen kennen. Tatsächlich gerät das Kind in eine Schockstarre und kann sich nicht wehren. Aufgrund des einsetzenden Eintauch-Reflexes ist auch ein Schreien nicht möglich. Eigentlich ist dieser Reflex als Schutz-Mechanismus gedacht, hat im Falle eines Badeunfalls allerdings fatale Folgen. Er sorgt dafür, dass sich die Stimmritzen verschließen, die Stimmbänder sind blockiert und so kann der Mensch unter Wasser nicht schreien.

Ein Ertrinkungsunfall kann sich in wenigen Minuten zu einer lebensbedrohlichen Situation entwickeln:

  • Nach maximal 2 Minuten unter Wasser verliert ein Kind das Bewusstsein.
  • Innerhalb von 3 Minuten setzen Gehirnschäden aufgrund des Sauerstoffmangels ein. Dies kann dazu führen, dass das Kind trotz Rettung in einen komatösen Zustand fällt oder später verstirbt. Zudem können bleibende Schäden die Folge sein.
  • Wenn das Kind für 5 Minuten unter Wasser bleibt, ist der Sauerstoffmangel tödlich.

Oft unterschätzen Eltern die Gefahren, die das unbeaufsichtigte Spielen in Wassernähe mit sich bringt. Dazu sei gesagt: Ertrinkungsunfälle können sich in so gut wie allen Gewässern ereignen, nicht nur im klassischen Pool. Auch Badewannen, Pfützen, Putzeimer, Planschbecken, Regentonnen oder Gartenteiche stellen eine – oft unterschätzte (!) – Gefahr dar. Diese Vielfalt der möglichen Gefahren unterstreicht die Wichtigkeit eines umfassenden Bewusstseins für die Sicherheit von Kindern im und am Wasser.

Sekundäres Ertrinken: Neben dem eigentlichen (primären) Ertrinken gibt es auch das sogenannte sekundäre Ertrinken. Dieses kann 24 Stunden oder länger nach einem Badeunfall, der auf den ersten Blick gerade noch einmal gut ausgegangen ist, erfolgen. Typische Symptome des sekundären Ertrinkens sind plötzliche Veränderungen des Verhaltens oder des Bewusstseins, anhaltender Husten, Fieber, blaue Lippen, Schmerzen in der Brust und generelles Unwohlsein. Wenn diese Symptome auftreten, muss unbedingt ein Krankenhaus aufgesucht werden – Rettungsdienst rufen!

FREIRAUM Kind im Pool
© Frank McKenna

A: Achtgeben: Was kann ich verhindern?
S: Situationen, welche zu Gefahren führen?
S: Sicherheit: Kann ich an alles denken?

Die drei Buchstaben A-S-S stehen gemeinsam für das Trumpf-Ass der Wassersicherheit.

Schwimmen zu lernen, gibt Eltern und Kindern Sicherheit. Allerdings ist die Gefahr dadurch nicht automatisch gebannt, denn schwimmfähig zu sein heißt nicht, auch tatsächlich schwimmen zu können. Hier spielen auch Aspekte wie das Schwimmen über einen längeren Zeitraum, in sehr kaltem Wasser oder mit Kleidung eine Rolle. Kinder, die früh schwimmen lernen, können sich aber zumindest für eine kurze Zeit über Wasser halten, sich im Falle eines Unfalls bemerkbar machen und damit die Rettungskette in Gang setzen.

Auch mechanische Sicherheitseinrichtungen helfen dabei, Unfälle zu vermeiden. Durch (geschlossene!) Pool-Abdeckungen ließen sich viele Badeunfälle vermeiden. Deshalb empfehlen wir beim Bau eines Living Pools immer auch, auf eine Unterflur-Rollabdeckung zu setzen – nicht nur wegen der positiven Auswirkungen auf die Wasserqualität, sondern auch aufgrund des Sicherheitsaspekts.

Eine Gefahr, auf die wir besonders hinweisen möchten: Tretbootfahren! Egal, ob am Meer oder am See, das Gefahrenpotenzial dieser beliebten Urlaubsaktivität wird so gut wie immer unterschätzt. Babys und Kleinkinder sind oft ohne Schwimmwesten mit an Bord. Nicht auszudenken, was bei einem Fall ins meist tiefe und dunkle Wasser passieren kann. Denken Sie also bitte auch im Urlaub daran, sich und Ihre Liebsten zu schützen!

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen ist und bleibt das Wichtigste: Lassen Sie Ihr Kind niemals unbeaufsichtigt. Die Aufsichtsperson muss stets alles im Blicken haben, und das über die eigenen Gartengrenzen hinaus. Denn nicht nur zu Hause besteht Gefahrenpotenzial – auch Regentonnen, Biotope und Pools in der Nachbarschaft dürfen nicht außer Acht gelassen werden.

Ein weiterer Aspekt: Gehen Sie mit gutem Beispiel voran! Wie steht es um Ihr Schwimmkönnen? Wann sind Sie zum letzten Mal richtig geschwommen – und sind Sie in der Lage, Ihr Kind aus einer Gefahrensituation zu retten, in der das Wasser so tief ist, dass Sie selbst nicht mehr stehen können? Wann haben Sie Ihren letzten Erste-Hilfe-Kurs gemacht bzw. Ihre Kenntnisse aufgefrischt? Beantworten Sie diese Fragen für sich persönlich und ziehen Sie, wenn nötig, entsprechende Konsequenzen. Es ist keine Schande, kein:e gute:r Schwimmer:in zu sein. Jedoch sollten Sie spätestens dann, wenn Ihre Kinder ins schwimmfähige Alter kommen, gemeinsame Ausflüge ins Hallenbad und regelmäßiges Schwimmen in Ihren Familienalltag integrieren. Je öfter Sie schwimmen und je mehr Übung Ihre Kinder haben, umso seltener geraten Sie in potenziell gefährliche Situationen.

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen: Kinder dürfen nie unbeaufsichtigt am Wasser sein. Kein noch so guter Zaun und keine noch so teure Abdeckung können neugierige kleine Kinder abhalten!

E: Entscheidende Maßnahmen: Kann ich unzureichend handeln?
R: Reanimation: Kann ich etwas falsch machen?

Zwei Buchstaben, deren Bedeutung Hand in Hand geht

Wenn sich ein Unfall ereignet, ist rasches Handeln von entscheidender Bedeutung. Wenn zwei Personen vor Ort sind, sollte die erste sofort mit den Rettungsmaßnahmen beginnen. Die zweite setzt die Rettungskette in Gang, indem sie umgehend einen Notruf absetzt. In Situationen, in denen Sie allein sind, gilt es ebenso schnell und überlegt zu handeln. Lassen Sie nicht zu viel Zeit verstreichen und beginnen Sie mit der Reanimation, bevor Sie den Notruf absetzen. Bei einem Atemstillstand ist eine umgehende Atemspende innerhalb von 10 Sekunden empfehlenswert, gefolgt von einem Notruf. Wenn nötig, können Sie mit einer Herzdruck-Massage (Verhältnis 30 : 2 – 30 Mal drücken : 2 Mal beatmen) fortfahren. Wenn die Atmung wieder einsetzt, kann die Herzdruck-Massage beendet werden.

Neben diesen lebensrettenden Maßnahmen ist es auch wichtig, die betroffene Person richtig zu lagern. Wenn bzw. sobald die Person atmet, sollte sie in die stabile Seitenlage gebracht werden. Zudem sollte kalte, nasse Kleidung ausgezogen werden, um den Körper vor weiterem Wärmeverlust zu schützen. Eine Rettungsdecke, auch Aludecke genannt, hilft dabei, die Körpertemperatur zu stabilisieren. Aber auch normale Decken können in dieser Situation von großem Nutzen sein, um die Person warmzuhalten.

Immer wieder stellen Eltern oder Interessierte die Frage: Kann ich bei einer Reanimation etwas falsch machen? Wichtig ist, und das möchten wir wirklich mit Nachdruck sagen: Nein, Sie können nichts falsch machen! Bei einer Reanimation kann nichts schiefgehen. Der einzige Fehler, den Sie machen können, ist, nichts zu tun.

Ein verantwortungsvoller Umgang ist wichtig

Die Sicherheit von Kindern im Umgang mit Wasser ist von höchster Bedeutung. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihnen nicht nur die Freude am Wasser, sondern auch das nötige Wissen zu vermitteln und die richtigen Maßnahmen zu setzen. Definieren Sie klare Regeln und setzen Sie diese liebevoll und konsequent durch. Verbessen Sie aber nicht: Als Aufsichtsperson müssen Sie Ihre Kinder immer im Auge behalten! Achten Sie darauf, dass Ihre Kinder so bald wie möglich schwimmen lernen – und sorgen Sie dafür, dass sie regelmäßig schwimmen, um ihre Fähigkeiten immer weiter zu verbessern. Schwimmen auch Sie oft und, ganz wichtig: Frischen Sie Ihre Erste-Hilfe-Kenntnisse mindestens alle 2 Jahre auf, um im Notfall rasch und überlegt reagieren zu können. Denn Wasser soll eine Quelle des Spaßes und der Entspannung sein, nicht der Angst.